Robert Kis
"Roberts Kostüme sind keine Kostüme im klassischen Sinne. Das Hineinschlüpfen gehört schon zur Performance. Mal flutscht man geschmeidig rein, mal muss man sich den Zugang erkämpfen. Man findet neue Bewegungsqualitäten, die ohne das Kostüm nie zu entdecken gewesen wären. Es schützt dich, gibt dir Mut, Neues zu wagen. Sobald man es trägt oder nur daneben steht und es anguckt, macht es einen zum Performer, berechtigt dazu, alles zu machen oder nichts. Es macht neugierig. Man muss es erforschen, man kann gar nicht anders." Vivien Holm, Tänzerin
Die Lust am Verkleiden war früh vorhanden.
„Lili & Lolo, das Dessertkochbuch“ hieß das Diplomthema, mit dem ich an der Fachhochschule abschloß: Es bestand aus Fotoinszenierung, Szenen und Kostümdesign und offenbarte den Wunsch, Szenerien zu entwerfen und die Charakterfindung mit dem Kostüm zu verbinden. Übergangslos gründete ich nach dem Studium mit zwei Partnern die GbR Comic Drags.
Wir standen als Drag Queens selbst auf der Bühne und entwarfen abendfüllende Unterhaltungsshows, womit wir sehr erfolgreich waren.
Fotos: Beate Zeller
Die zahlreichen öffentlichen Auftritte als
High Heels Comic Drags brachten mir mit
der Frage: „Wer hat die Kostüme gemacht?“
viele Folgeaufträge.
2004 zog ich mich von der Bühne zurück.
Die Liebe zu massigen, großen, bühnenwirksamen Kostümdimensionen ist aber geblieben.
Wie weit kann ich mit Kostümen gehen?
Die Figuren werden von mir quasi in Objekthaftes gegossen. Ich versuche, die Grenzen auszuloten und begebe mich auf eine Gratwanderung zwischen Schrillheit, Kunst und Wow-Effekt. Ziel ist es, die Menschen zu faszinieren und durch Perfektion, Schönheit und Außergewöhnliches zu überraschen.
Die Methoden der negativen Reizung interessieren mich dabei allerdings nicht. Meine Kostüme sind phantasievoll und verlangen einen ebensolchen Umgang.
Sie grenzen die Bewegungsfreiheit aber auch ein und sind nur halb definiert.
Es passiert sofort etwas mit den Personen,
die sie tragen; sie entdecken sich neu und entwickeln ein anderes Körpergefühl.
"Mit den Kostümobjekten erlebe ich Bewegung immer neu, da das Reagieren aufeinander mich ständig herausfordert. Ich spüre das Material, verbinde mich damit und werde zum Panzer, Flügel, Schaum... mal schnell und windig, mal langsam gewichtig. Das Zeitmaß ist anders und ich auch. "
Helmut Ott, Choreograf, Tänzer und Videokünstler
"Robert mir fällt nichts ein,
lass uns über die Kostüme reden."
Mit diesem Satz kommen teilweise meine Auftraggeber auf mich zu, weil sie wissen, dass Vieles vom Kostüm aus startet und durch das Finden einer Form auch das Stück konkreter wird. Durch das Treffen von Entscheidungen im Visuellen bekommt das Ganze bereits eine Richtung.
Inzwischen habe ich ein sehr sicheres Gefühl dafür entwickelt, wann ein Kostüm gut ist. Es soll die Darsteller auf der Bühne unterstützen, aber auch herausfordern. Kostüm und Bewegung verstehe ich als zwei zusammengehörende Komponenten, die sich gegenseitig bedingen, weswegen ich sehr gern mit Tänzern und Choreografen arbeite; exemplarisch zu erleben beim Projekt „Lustwandel“: Zeitgenössische Tänzer/innen wandeln in Kostümobjekten aus ungewöhnlichen Materialien durch Grünräume der Stadt.
Wo muss ich eingreifen, damit es perfekt wird?
Oft starte ich mit Materialien, die ich finde oder die mir durch Zufall begegnen, z.B. auf Baustellen. Weggeworfene Dinge, die von der Gesellschaft als Müll kategorisiert wurden, wecken mein Interesse.
Kreative Fragestellungen feuern mich an. Ein Kostüm aus Nespressokapseln erzeugt z.B. auch Geräusche - kann daraus ein Impuls für den Performer werden?
Klare Bilder im Kopf
Im Schaffensprozess wird mein Kopf zu einer räumlichen Dimension, in der ich alle möglichen Variationen bereits durchgehe. Schließlich zeichne ich dann nur mehr ein Endbild.
Das Meiste entsteht immer noch in Eigenarbeit. Indem alles von mir selbst anfertigt wird, zeigt sich eine erkennbare Handschrift. Da ich verschiedenste Qualifikationen in mir vereine – Schneiderei, Theaterwelt und Industriedesign – beherrsche ich bestimmte Techniken, wie z.B. Kunststoffe vernähen.
Und während der Arbeit sehe ich dann schon gleich,
ob es stimmt.
Das Bauchgefühl, die Intuition sind meine untrüglichen Wegweiser!
Gelingt es mir, Menschen am Ausdruck meiner Phantasie teilhaben zu lassen und fünf oder zehn Minuten Freude zu erzeugen, gebe ich auf diese Weise der Gesellschaft etwas zurück. Sollten sie nach zehn Jahren noch davon erzählen, habe ich erreicht, was ich mir wünsche.
Robert Kis, Designer